Landwirtschaft
Carriolen
Die Carriole war ein etwa 1750 bis 1850 gebräuchliches einachsiges
Gefährt mit zwei großen Speichenrädern, gezogen von einem Pferd
und gelenkt vom Sitz aus. Sie galt als ausgsprochen schnelles Fortbewegungsmittel.
"Wie stark sich das rasche Fahren in der leichten "Karjool" im Volksbewußtsein
eingeprägt hat, beweist die Tatsache, daß das Wort "karjoolen" -
freilich in abwertender Bedeutung - häufig noch ganz geläufig ist"
(Arnold Lühning). Carriolen waren keine Alltagsfahrzeuge, sondern
Luxusobjekte einer Oberschicht, ausgezeichnet durch die üppigen
Schnitzereien und Farbfassungen an den Abschlußbrettern der Rückenlehnen
des Sitzes. Schwerpunkte des Herkommens der in den Museen befindlichen
Carriolen und Carriolenteile sind die reichen Marschgebiete beiderseits
der Elbe, das "Alte Land", die Seester, Wilster und Kremper Marsch
sowie Dithmarschens.
Handschlitten
Zwei schöne barocke Handschlitten zeigen eine geglückte Verbindung
zwischen Form und Funktion: Besonders der eine, farbig mit barocken
Malereien einer Schlittenpartie versehen, zeugt davon, daß bei den
reichen Bauern neben der harten Arbeit auch das Vergnügen nicht
zu kurz kam.
Köhlkerkorb
Für den speziellen Bedarf der Köhlker angefertigt, faßte 50 Pfund
Kartoffeln, vielseitig einsetzbar zum Transport und zur kurzfristigen
Lagerung aller Kohl- und Gemüsesorten. Wegen ihrer länglichen Form
konnen zwei Köhlkerkörbe gut mit der Dracht (Schul-terjoch) getragen
werden. Köhlkerfrauen trugen oft ihre Erzeugnisse so in die Stadt
zum Verkauf auf dem Buttermarkt oder zur Anlieferung bei bestimmten
Kunden. In den Korbmachereien in Glückstadt und Umgegend wurden
die Köhlkerkörbe in großer Zahl aus Korbweiden (Kneden) hergestellt.
Köhlker/Körger = Gemüsebauer Kartoffelkiste
Gegen Ende des Winters wurden die Pflanzkartoffeln in einer Schicht
so in die Kartoffelkisten gelegt, daß möglichst viele "Augen" nach
oben gerichtet waren. Die Kisten wurden dann in einem nicht zu hellen,
kühlen doch frostfreien Raum aufeinander gestapelt. Die Kartoffeln
trieben "Keime" (Kiens) aus. Sie wurden vorgekeimt. Um Mitte April
wurden die Frühkartoffeln gepflanzt (Kantüffelplanten). Sie wurden
sorgfältig von Hand in die mit dem Ascher in Reihen angelegten Pflanzlöcher
gesetzt, die Keime mit feinzerbröselter Erde behutsam abgedeckt
und das Pflanzloch zugerakt. Hierzu rutschte der/die Pflanzer/-in
auf den Knien zwischen zwei Reihen vorwärts und schleppte die Kiste
mit den Pflanzkartoffeln hinter sich her. Bei der Ernte um Mitte
Juni grub ein Mann die "Bulten" mit dem Spaten auf, und die Sammler/-innen
rutschten wieder auf den Knien über den Acker und sammelten die
Kartoffeln in die Kisten, die sie wiederum hinter sich herschleiften.
Zur Rethdachdeckerei
Der Dachstuhl, Dackstohl, auch Deckerstohl, wird mit den beiden
gekrümmten Eisen in das Dach eingehakt. Auf ihm steht der Decker
bei der Arbeit. Die Dachnadel wird beim Durchnähen des Rethdaches
gebraucht. Der Decker fädelt das Reep (Lockreep, Kokosfaser) oder
in neuerer Zeit den Draht in die Öse und stößt die Nadel dann durch
die Rehtlage. Der auf der Innsenseite des Daches befindliche Gehilfe
führt das Reep / den Draht um die Latte. Auf dessen Zuruf zieht
dann der Decker die Nadel wieder heraus und stößt sie an einer anderen
Stelle durch. Darauf fädelt der Gehilfe das Reep / den Draht wieder
ein und fordert den Decker auf, die Nadel herauszuziehen. Bei der
Arbeit mit der kummen Dachnadel ist ein Gehilfe nicht nötig. Die
Heidfast ist der ursprünglich aus Heidesoden hergestellte Dachfirst
des alten Rethdachhauses. Die Heidesoden wurden mit Dachpflöcken
festgesteckt. Die Bezeichnung Heidfast blieb erhalten und ist auch
bei Verwendung anderer, moderner Materialien zur Firstabdeckung
gebräuchlich. Hingklauen heißen die beiden Hölzer, die an jedem
Dachende des Rethdachhauses angebracht sind, um den First zusammenzuhalten.
Die freien Enden der Hingklauen sind oft als Pferdeköpfe, Tulpenmuster
oder andere Verzierungen gestaltet.
Die Viehscheune, ein Fachhallenhaus
Das Modell der Viehscheune veranschaulicht den in den Elbmarschen
überlieferten Typ des Fachhallenhauses. Durch das ganze Haus zieht
sich von der Grotdör bis zur gegenüberliegenden Schmalseite die
große Diele = Grotdeel hin: An den rechten beiden Längsseiten stehen
die Hauptständer = Höftständer, mächtige Balken als Hauptstützen
des Bauernhauses, auf denen der Dachstuhl ruht. Die Hauptständer
tragen die Höftbalken. Sie verbinden die Köpfe je eines Ständerpaares
quer über die Diele und bilden die Basen der Sparrendreiecke. Zwei
Ständerpaare mit darauf ruhenden Sparrendreiecken bilden ein Fach.
In Verlängerung der Sparren sind die Stallsparren angelegt. Sie
ruhen auf den Außenmauern. Zu beiden Seiten der Diele befinden sich
die Viehställe. Der Boden darüber heißt Hill. Die frühere Bezeichnung
des Fachhallenhauses als Niedersachsenhaus ist nicht mehr gebräuchlich,
denn der Haustyp ist weder geografisch noch ethnologisch niedersächsisch
bestimmt.
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